Interview: Nachhaltige Einwegbecher – geht das? Und wie das geht!

Unser diesjähriges Nachhaltigkeitsupdate war in vielerlei Hinsicht besonders. Neben einer inhaltlichen Anpassung in Anbetracht der Pandemie tritt die Broschüre diesmal auch physisch ganz neu auf. Das liegt daran, dass das Papier, auf dem sie gedruckt ist, komplett aus recycelten Materialen besteht. Doch damit nicht genug: Im Papier sind auch die benutzten McDonald’s-Becher aus unseren Restaurants verarbeitet – richtig gehört, in unserer Nachhaltigkeitsbroschüre stecken unsere eigenen Becher. Das ist doch mal nachhaltig!

Die Idee dazu hatte Torsten Gröger mit seiner Werbeagentur creart. Das Team versteht sich als Problemlöser und bewegt sich gerne außerhalb von herkömmlichen Denkmustern, um Prozesse neu und an die aktuelle Zeit angepasst zu denken. Zusammen mit zwei Produktions- und Logistikpartnern hat Torsten Gröger auch das Verfahren zum Upcycling von Einwegbechern entwickelt, welches die Grundlage für die Produktion des sogenannten CoffeeCup Papers bildet. Mit diesem Produkt zeigen sie, dass auch Einwegbecher ökologisch sein können und bieten Unternehmen die Möglichkeit für nachhaltige Kommunikation.

Torsten Gröger mit der Nachhaltigkeitsbroschüre aus Becherpapier

Was genau dahintersteckt und welche Rolle McDonald’s in dem Prozess spielt, das erzählt uns Torsten Gröger im Change-M-Interview.

Herr Gröger, Sie haben mit dem CoffeeCup Paper eine Methode entwickelt, um aus benutzten Einwegbechern ein hochwertiges Recyclingpapier herzustellen. Wie kam es dazu?

TG: Die ursprüngliche Idee ist entstanden, als ich eines Tages in einer McDonald’s-Filiale auf den Nachhaltigkeitsbericht von 2017 gestoßen bin. Dieser erweckte optisch den Anschein, er sei auf einer McDonald’s Tüte gedruckt, eigentlich war es allerdings Naturpapier. Ich fand den Gedanken sehr schön, aber habe mich gefragt, wieso man nicht tatsächlich das Papier der Tüte genommen hat. Da ich mit diesen Themen schon ab und an zu tun hatte, habe ich mich bei McDonald’s gemeldet und angeboten, in Zukunft ein solches Projekt zu unterstützen und sozusagen aus dem „McDonald’s-Abfall“ Papier für den Nachhaltigkeitsbericht herzustellen. Trotz anfänglicher Skepsis aufgrund von gescheiterten früheren Versuchen, hat sich McDonald’s sehr interessiert und kooperativ gezeigt.

Wie sind Sie dann auf die Becher gekommen?

TG: Im nächsten Schritt habe ich mir einige Verpackungen aus dem Portfolio von McDonald’s bestellt, um nachzusehen, aus welchen man etwas machen könnte. Dabei ist mir besonders der Becher aufgefallen, weil er einen hohen Anteil an hochwertigen, frischen Fasern enthält, welche durch die Polyethylen-Beschichtung (PE) auch vor den Lebensmitteln geschützt werden. Die für das Recycling eigentlich nachteilige Beschichtung ist in diesen Fall also sogar ein Vorteil. Schlussendlich haben wir für das Produkt sämtliche Bechervarianten von McDonald’s benutzt, also solche für Kalt- und Heißgetränke sowie für Desserts.

Wie haben Sie den Recyclingprozess entwickelt?

TG: Zunächst einmal habe ich die Entwicklung des Recyclingprozesses natürlich nicht allein übernommen. Dafür habe ich mir Partner mit dem nötigen Know-how gesucht, die auch die Voraussetzungen für die Umsetzung haben. Das waren zum einen die Koehler Paper Group in Greiz, die sehr probierfreudig ist, was das Verarbeiten verschiedener Rohstoffe angeht, und zum anderen die IGEPA, ein europäischer Papiergroßhändler, welche das Projekt finanziert und die Logistik übernommen hat. Die IGEPA ist generell ein sehr wichtiger Partner für das gesamte Vorhaben, sie ist unser Sprachrohr und wird auch in Zukunft dafür verantwortlich sein, dass es das Produkt überhaupt zu kaufen gibt. In dieser Dreierkonstellation haben wir das Papier entwickelt und einen einfachen Weg gefunden, die Becher in das Recyclingverfahren einzubinden.

Was war das Problem mit bestehenden Verfahren?

TG: Das Problem ist, dass die Becher aufgrund ihrer PE-Beschichtung in unbehandeltem Zustand für die Papiermaschine unverwertbar sind und von ihr fast vollständig wieder aussortiert werden. Der Kern unserer Arbeit ist, dass wir einen Prozess entwickelt haben, der auf einfachste Weise und mit geringen Mehrkosten einen sehr hohen Anteil an Fasern aus den Bechern rettet. Dadurch ist das Ganze sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll. Das Besondere dabei: Durch das Upcycling generieren wir ein sehr hochwertiges Papier, welches zu 100 % aus Altpapier besteht, nämlich zu 25 % aus McDonald’s-Bechern und zu drei Vierteln aus hinzugekauftem Altpapier aus der Tonne.

Die Aufbereitung zum Papier läuft so schonend und alle Bestandteile sind so ausgewählt, dass das Papier die Regularien des Blauen Engels erfüllt und auch hygienisch einwandfrei ist.

Worin besteht denn genau das von Ihnen angesprochene Upcycling?

TG: Ein Upcycling wird es dadurch, dass wir einen so hohen Anteil (80-90 %) der Fasern im Becher vom PE lösen und retten können und mit ihnen sehr hochqualitatives Recyclingpapier herstellen. Das Papier erreicht seine hohe Qualität erst durch das Hinzugeben der Becherfasern und selbst nach erneutem Entsorgen gehört es noch immer zur höchsten Altpapierklasse. Das ist eigentlich der größte Mehrwert, der beim CoffeeCup Paper generiert wird, denn es hat so mehrere Funktionen. Dadurch, dass es wie bei der Nachhaltigkeitsbroschüre als graphisches Papier eingesetzt wird, kann zunächst darauf kommuniziert werden. Und anschließend kann das gesamte Produkt im Recyclingprozess sogar noch mindestens sechsmal verwendet werden. Das Leben des Materials als Becher ist also sozusagen nur eines von mehreren, da 90 % des Bechers in anderen Bestandteilen wiederverwertet werden können – und das immer und immer wieder, mindestens sechsmal.

Woher haben Sie die Becher für die Produktion bekommen?

TG: Das sind alles benutzte, von McDonald’s selbst in den Restaurants gesammelte und sortierte Becher. Dieses Bechersammeln war auch die Pionierleistung von McDonald‘s, die alles möglich gemacht hat. Für die erste Charge haben wir 7,5t zurückgeführte Becher verwendet und daraus 22t Recyclingpapier hergestellt, welches McDonald’s auch komplett abgenommen und u.a. für den Nachhaltigkeitsbericht verwendet hat.

Wie sieht die Zukunft Ihres Projekts aus?

TG: McDonald’s fungiert erst mal als Leuchtturm für das Projekt und soll so auch Vorbild für andere Systemgastronomen sein. Es soll aber nicht bei dieser einmaligen Aktion bleiben, denn in Zukunft wollen wir das Papier auch jedem anderen zur Verfügung stellen, der gerne nachhaltig kommunizieren möchte. Im Prinzip sind wir in der Lage, alle zu uns zurückgeführten Becher zu neuem Papier zu verarbeiten. Wir wollen zusammen darauf aufmerksam machen, dass durch das Sammeln und Rückführen von Bechern etwas Gutes getan werden kann und man gleichzeitig ein Kommunikationsmittel bekommt, das eigentlich Müll gewesen wäre. Innerhalb der IGEPA ist das Thema bereits europaweit auf großen Anklang gestoßen. Der Plan für die Zukunft ist auch, dass die IGEPA das Papier an die Kunden liefert und auf dem Rückweg von dort wieder alte Becher mitbringt, um auch hier wieder den Kreislauf zu schließen. Das ist für uns das Wichtigste, dass das Projekt weiterverfolgt wird.

Durch die richtige Verwertung lässt sich also noch richtig etwas aus den Einwegbechern machen?

TG: Ganz genau. Wir sind parallel auch dabei mit großen deutschen Städten ein System zu entwickeln, durch das zusätzlich die Becher, die im Umkreis der Restaurants im Mülleimer entsorgt werden, durch die Stadtreinigung gesammelt und zu uns geführt werden. Wenn das alles klappt, ist der Einwegbecher kein Umweltsünder mehr, sondern ein wirklich tolles und ökologisches Produkt mit mehreren Leben.

Die Konsumenten übernehmen dabei die ganz entscheidende Rolle, denn für das Gelingen ist es wichtig, dass die Becher an die richtige Stelle gebracht werden, um zu uns zurückgeführt werden zu können. Im McDonald’s-Restaurant bedeutet das, den leeren Becher auf den Tablettwagen zu stellen, damit er von den Mitarbeitern separat gesammelt werden kann.

Eine abschließende Frage, wieso der Name CoffeeCup Paper, wenn doch ganz verschiedene Becher verwendet werden?

TG: Richtig, es werden wie gesagt nicht nur Kaffeebecher verarbeitet. Der Name soll einfach verdeutlichen, worum es geht, denn der Kaffeebecher steht als Sinnbild für den Einwegbecher. Es gibt dieses relativ bekannte Bild von Barack Obama vor dem Brandenburger Tor mit einem Kaffeebecher in der Hand. Unsere Message ist: „Gebt uns diesen Becher und wir machen etwas daraus.“ Gerade im Lockdown, während man sich fragt, wie das normale Leben weitergeht, hatten wir nun die Zeit, tolle neue Produkte zu kreieren und ich finde, das ist eine schöne Geschichte. In diesem Sinne: Lassen Sie uns die Zeit nutzen!

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